Frauen der Künste 

Antonia BricoDirigentin

Antonia Brico (1902–1989)

Foto: Deutsches Bundesarchiv, Wikimedia Commons
Foto: Deutsches Bundesarchiv, Wikimedia Commons

Vor kurzem durfte der Chefdirigent der Zürcher Tonhalle, Paavo Järvi, mit seinem Orchester nach vier Jahren Umbauzeit wieder in seine gewohnte Umgebung ziehen und in der restaurierten Halle das Publikum mit Klängen von Beethoven, Mozart, Mahler und Co. beglücken. Gut hundert Jahre früher, in den 1920er- und 30er-Jahren, träumte eine junge Frau namens Antonia Brico davon, vor einem Orchester zu stehen und zu dirigieren – zu der Zeit für eine Frau ein nahezu undenkbares Vorhaben. Zu „führen“, das war Männern vorbehalten. Antonia Brico verfolgte ihren Lebenstraum unbeirrt, trotz allen Hindernissen. Im Spielfilm „Die Dirigentin“, der letztes Jahr in den deutschsprachigen Kinos erschien, sowie im kurz darauf veröffentlichten gleichnamigen Roman erzählt die niederländische Drehbuchautorin und Regisseurin Maria Peters von Antonia Bricos inspirierendem Leben, von ihrer Leidenschaft, ihrem Streben und ihren Kämpfen in der von Männern beherrschten Welt der Musik.

Antonia Brico wurde 1902 in Rotterdam geboren und wuchs in Kalifornien/USA in ärmlichen Verhältnissen bei Pflegeeltern auf, von denen sie nur wenig Zuwendung bekam. Als Kind erhielt sie mit zehn Jahren Klavierunterricht – nicht, weil ihr ihre Pflegeeltern eine musikalische Erziehung gönnen wollten, sondern auf Empfehlung eines Arztes hin, um dem Mädchen das Fingernägelkauen abzugewöhnen. Im Dokumentarfilm „Antonia: A portrait of the woman“, der 1974 veröffentlicht wurde, sagte sie, wie ihr „einzig die Musik half, nicht den Verstand zu verlieren“. Ein weiterer Berührungspunkt mit Musik in Antonias jungen Jahren waren die sonntäglichen Konzerte der Musikkappelle im Park, die sie mit ihrer Familie besuchte und bei denen sie jeder Bewegung des Dirigenten aufmerksam folgte. Auch durch ihre Jobs als Platzanweiserin im Konzerthaus und als Jazz-Pianistin im Revuetheater machte sie wertvolle Erfahrungen. Nach der High School studierte Antonia Brico Klavier, kam nach Deutschland und machte sich auf die Suche nach einem Dirigierlehrer. Zuerst von allen belächelt, nahm sich ihr schlussendlich die damalige Musikgrösse Karl Muck an, der ihr Potenzial erkannte und sie fortan unterrichtete. Zeitgleich studierte sie Orchesterdirigieren an der Staatlichen Musikakademie in Berlin. 1930 debütierte sie erfolgreich bei den Berliner Philharmonikern. Es folgten weitere Konzerte mit namhaften Orchestern, bei denen sie ihr Talent und ihr Können unter Beweis stellte. Durch die Presse wurde sie weitum bekannt und ihre Leistung gefeiert. Für Aufsehen sorgte sie zudem mit der Gründung eines reinen Frauenorchesters – damals absolut aussergewöhnlich und einzigartig. Trotzdem wurde sie nicht von allen ernst genommen, sondern im Gegenteil oft belächelt und diskriminiert. So verweigerte beispielsweise der Opernsänger John Charles Thomas die Zusammenarbeit mit ihr, da sie als Dirigentin zu viel Aufmerksamkeit bekäme und von seiner Leistung als Solist ablenke. Antonia Brico hätte im Laufe ihrer rund 60-jährigen Berufstätigkeit (erst im Alter von 83 Jahren ging sie in Rente!) gerne mehr und öfters dirigiert. Zeit ihres Lebens erhielt sie jedoch nie eine Anstellung als Chefdirigentin eines grossen Orchesters, sondern verdiente sich ihren Lebensunterhalt vor allem als Klavier- und Dirigierlehrerin.
Einige ihrer Schülerinnen und Schüler blicken auf eine erfolgreiche Karriere im Musikbusiness zurück. Zu ihnen gehört die US-amerikanische Folk-Sängerin Judy Collins, die den oben genannten Dokumentarfilm „Antonia: A portrait of the woman“ (1974) über ihre Mentorin drehte. 1986 wurde Antonia Brico, die 1989 in Denver/Colorado verstarb, in die Colorado Women’s Hall of Fame aufgenommen.

    Frauen der Künste und der Wissenschaften
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