Über die Autorin Verena E. Müller ist nicht viel bekannt. Dem kurzen Wikipedia-Eintrag über sie kann man entnehmen, dass die Schweizer Autorin und Historikerin 1940 geboren wurde und aus Basel stammt. Auf dem Portraitbild erkennt man eine freundliche Dame mit wachem Blick. Die spärlichen Informationen über Verena E. Müller lassen die Vermutung zu, dass sie bescheiden und ohne viel Brimborium auftritt. Genauso mögen ihre beiden schön gestalteten Biografien aus dem efef-Verlag mit den Titeln «Anna Heer 1863–1918: Gründerin der Schweizerischen Pflegerinnenschule» und «Marie-Heim Vögtlin: Die erste Schweizer Ärztin 1845–1916» leicht in der Bestsellerflut untergehen. Verena E. Müller hat jedoch das Leben dieser zwei bemerkenswerten Frauen genau recherchiert und lebendig nachgezeichnet. Die zwei Bücher haben eine leise, aber nachhaltige Wirkung auf den interessierten Leser.
Allein, geht es hier nur um die Geschichte der Medizin in der Schweiz? Mitnichten. Hinter den beiden Namen Anna Heer und Marie Heim-Vögtlin stecken zwei ganz unterschiedliche Lebensentwürfe und Persönlichkeiten. Ihnen gemein ist die Zeit, in der sie gelebt haben, und dass sie beide keine Angst davor hatten, grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft anzustossen und diese selbst auch vorzuleben. Beiden war die Stellung der Frau in der damaligen Schweizer Gesellschaft ein Anliegen. Auch schienen sie beide gefeit zu sein gegen ablehnende Haltungen von aussen. Wir lernen in Verena E. Müllers Biografien zwei Personen kennen, die ihr arbeitsames Leben für die Gemeinschaft einsetzten, die Geschichte der Medizin in der Schweiz prägten, ihr Ziel nie aus den Augen verloren und an den Fortschritt der Menschheit glaubten. So wurden sie denn auch für viele Frauen zum Vorbild.
Anna Heer, 1863 in Olten geboren, hatte von den beiden Frauen den schwierigeren Start ins Leben. Als älteste Tochter des gescheiterten Fabrikbesitzers Isaak Heer übernahm Anna bereits sehr früh die Verantwortung für ihre Geschwister. Als Anna später in ihrem Beruf als Fachärztin etabliert war, scheint sie ihre Familie auch finanziell unterstützt zu haben. Eine grosse Last, die auf ihren Schultern lag. Ihre spätere Lebensgefährtin Ida Schneider beschreibt in der Erinnerung, wie Anna Heer – eine eher kleine Person – eilends die Treppe der Pflegeeinrichtung hinauftrippelte und wie sie dabei zugleich unscheinbar und doch sehr achtungsgebietend wirkte.
Tatsächlich zeigt die Fotografie der jungen Anna Heer auf dem Buchumschlag eine filigrane Frau mit einem kindlich anmutenden Gesicht. Der offene, in die Ferne gerichtete Blick und das starke Kinn zeichnen jedoch Lebenserfahrung und eine stille Stärke in ihren Ausdruck, so dass der Betrachter bis in die heutige Zeit hinein eine grosse, von ihrer Person ausgehende Kraft wahrzunehmen glaubt.
Weniger leise trat möglicherweise die erste Schweizer Ärztin Marie Heim-Vögtlin (1845–1916) auf. Es fällt schwer, sie sich «die Treppe hinauf trippelnd» vorzustellen. Die junge Pfarrerstochter aus Bözen im Kanton Aargau musste sich als erste Schweizer Medizinstudentin gegen viele Widerstände durchsetzen. Sie beschrieb sich selbst in ihren vielen Briefen als eine Art Dickkopf.
Wie sich die Wege der beiden Frauen gekreuzt haben, erfahren Sie im Buch über Anna Heer. Und wenn Sie sich von ihrer Persönlichkeit inspiriert fühlen, nehmen Sie sich die Zeit, um auch noch die Biografie über Marie Heim-Vögtlin zu lesen. Es lohnt sich!
Wir möchten Frauen und ihrem künstlerischen Werk mehr Präsenz einräumen und ihr Schaffen sichtbarer gestalten. Dabei geht es in erster Linie um ihr Werk, welches in Form eines Porträts auf unserer Webseite beschrieben und interpretiert wird. Ab Januar 2024 hat das bestehende Format «Frauen der Künste» eine Ausweitung auf den Bereich der Wissenschaften erfahren. Den neusten Beitrag zu «Frauen der Künste und der Wissenschaften» präsentieren wir am ersten Freitag des Monats im Newsletter und auf unserer Webseite.