Zum Lieblingsthemenkreis der Malerin Artemisia Gentileschi aus dem 16. Jahrhundert gehören Darstellungen von biblischen und mythologischen Heldinnen: Judith, Jaël, Dalila und Esther legten männlichen Usurpatoren das Handwerk, indem sie sie ermordeten; Kleopatra und Lucretia hingegen wählten den Freitod, um sich der Schande und dem Verlust ihrer Ehre zu entziehen. Diese Frauenthemen und die Tatsache, dass sich Artemisia als Malerin im männlichen Kunstmarkt behaupten und ihren Lebensunterhalt verdienen konnte, brachten ihr den Ruf einer Feministin avant la lettre ein.
1593 als einzige Tochter des toskanischen Malers Orazio Gentileschi in Rom geboren, wuchs sie nach dem frühen Tod ihrer Mutter im Jahr 1605 mit ihren drei jüngeren Brüdern und dem Vater auf. Wie für die älteste Tochter üblich, leistete sie Mithilfe im Haus und bei der Kindererziehung, jedoch erhielt sie von ihrem Vater schon früh Malunterricht. Ihre ersten bedeutenden Werke signierte sie zwischen 1608 und 1610.
Das nach dem Tod der Mutter zweite einschneidende Erlebnis im Leben der jungen Artemisia war ihre Vergewaltigung durch den Malerkollegen Agostino Tassi im Frühjahr 1612. Es kam zum Prozess, in dem Tassi des stuprum, der gewaltsamen Entjungferung, beschuldigt wurde – der damals einzigen Form der Vergewaltigung, gegen die Anklage erhoben werden konnte, da diese Ehrverletzung eine Verheiratung der Geschädigten unter erschwerten Bedingungen bedeutete. Die erhaltenen Prozessakten zeigen eine selbstbewusste Achtzehnjährige, die selbst unter Folter bei ihrer Aussage blieb, vergewaltigt und entjungfert worden zu sein. Schlussendlich wurde Artemisias Vergewaltiger schuldig gesprochen und für fünf Jahre ins Exil geschickt.
Für Artemisia wurde vom Vater eine Hochzeit mit dem Florentiner Pierantonio
Stiattesi arrangiert, die bereits einen Tag nach dem Prozess abgehalten wurde.
Artemisia Gentileschis berühmtes Bild Judith und Holofernes von 1612 wird von der
Forschung gern mit diesem Erlebnis in Verbindung gebracht und als Ausdruck
ihrer Rache und Vergeltung für die erlittene physische und psychische Gewalt
interpretiert. Wie auch immer man das Bild deuten möchte, es zeigt in erster
Linie eine von bravouröser Hand gemalte Szene, die sich technisch und
inhaltlich von ihrem berühmtesten Vorbild (Caravaggio) emanzipiert hat und die
Ermordung Holofernes′ aus weiblicher Sicht darstellt.
Die Heirat mit Stiattesi bedeutete auch den Umzug nach Florenz, wo sich Artemisia ein eigenes Atelier einrichtete und Aufträge vom Fürstenhof der Medici erhielt, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt von einer steuerlichen und legalen Autonomie der Künstlerin ausgegangen werden kann. Ab 1623 verliert sich jede Spur von ihrem Ehemann in den historischen Dokumenten. Wichtig für die junge Künstlerin wurde hingegen ihre Liebesbeziehung zum Florentiner Adligen Francesco Maria Maringhi, die im erhaltenen Briefwechsel belegt ist.
Artemisia Gentileschis Ruf als gefeierte Malerin begleitete sie auch auf ihren weiteren Stationen in Rom, Venedig, Neapel und London. Das Selbstporträt als hl. Katharina, das um 1616 in Florenz gemalt wurde, zeigt die junge, schöne Künstlerin in einem bewussten Akt der Selbstdarstellung als Heilige mit den Attributen des erlittenen Martyriums.
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