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Nicht weg und nicht da Belletristik

Nicht weg und nicht da
Nicht weg und nicht da

Von Anne Freytag
Belletristik Junge Erwachsene

Kristopher ist tot. Freiwillig hat er seinem Leben ein Ende gesetzt – trotz Medikamenten und psychologischer Behandlung. Schon früh wurde bei ihm eine bipolare Störung diagnostiziert. («Mein Bruder war die finsterste Nacht und das hellste Licht. Ein Vakuum und drei Tage später wieder euphorisch und voller Tatendrang»). Seine jüngere Schwester Luise ist am Boden zerstört und fühlt sich allein auf der Welt. Sie macht dicht und einen radikalen Schnitt – mit Kristophers Rasierer rasiert sie sich ihre langen Haare ab. Übrig bleiben drei Millimeter und eine Mauer, hinter die niemand zu blicken vermag. Weder ihre ständig arbeitende Mutter noch der Jugendpsychologe Dr. Falkstein, den sie regelmässig aufsuchen muss. Im gleichen Haus wie Dr. Falkstein wohnt der 19-jährige Jacob. Auch er hat seine Gefühle hinter einer dicken Mauer versteckt und traut niemandem. Als er die weinende Luise im Treppenhaus vorfindet, spricht er sie an. Er hat sie schon einige Male aus der Ferne gesehen und ist von ihr fasziniert. («Ich sehe ihren kahl rasierten Kopf und diesen harten Blick. Ein Blick wie ein Schlag. Wie eine Wand aus Wut, hinter die sie niemanden lässt. Ich bin genauso»). Vorsichtig, mit wenigen Worten und viel Schweigen, lernen die beiden sich kennen. An ihrem 16. Geburtstag, knapp zwei Monate nach Kristophers Tod, erhält Luise eine E-Mail – von Kristopher! Er hat vor seinem Tod einige Nachrichten verfasst und ihr diese mithilfe der Webseite futureme.org, wo Nachrichten geschrieben und zu einem späteren Zeitpunkt verschickt werden können, zukommen lassen. So hilft er ihr durch den Trauerprozess, begleitet sie aus der ‘Zwischenwelt’, wie er es nennt. Er stellt ihr verschiedene Aufgaben, um sicherzugehen, dass sie der Welt nicht komplett den Rücken zukehrt. Er erklärt ihr seine Beweggründe und seine Gefühle. («Bei dem Gedanken daran, dich allein zu lassen, hasse ich mich selbst. Aber ich kann nicht bleiben. Ich bin nicht der Mensch, den die Medikamente aus mir machen. Mein echtes Ich ist der Welt zu viel, und mein ruhig gestelltes ist mir zu wenig»).

Die Kapitel werden abwechselnd aus Luises und Jacobs Sicht erzählt. Dominieren am Anfang der Geschichte vor allem Wut und Trauer, entwickelt sich nach und nach ein Hoffnungsschimmer, aus der anfänglichen Freundschaft entwickelt sich behutsam eine Liebe. Begleitet wird die Geschichte von viel Musik – sowohl Jacob als auch Luise (und Kristopher) lieben Musik und im Laufe des Buches werden verschiedene Songs erwähnt. Die Playlist auf Spotify ist ein wunderbarer Begleiter zu der melancholischen, zarten und trotz allem hoffnungsvollen Geschichte über Selbstmord, psychische Erkrankungen, die Macht der Freundschaft, die Wirkung der Worte und die angenehme Stille des gemeinsamen Schweigens.

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