Medientipp

Die Kieferninseln Belletristik

Tage mit mir
Tage mit mir

Von Marion Poschmann
Belletristik Erwachsene

«Er hatte geträumt, daß seine Frau ihn betrog. Gilbert Silvester erwachte und war außer sich. Das schwarze Haar Mathildas breitete sich neben ihm auf dem Kissen aus, Tentakel einer bösartigen, in Pech getauchten Meduse.» (Seite 1)

Gilbert Silvester ist ein mässig ambitionierter und auch eher erfolgloser Forscher, der die Wirkung von Bartdarstellungen im Film untersucht. Als er eines Morgens aus dem eingangs erwähnten düsteren Traum erwacht, ist er überzeugt, seine Ehefrau Mathilda würde ihn betrügen. Er reist am folgenden Tag im Affekt und völlig unvorbereitet nach Japan – ein Land, das ihn gar nicht sonderlich interessiert. Nach seiner Ankunft in Tokio vertieft er sich, eher zufällig, in die Reisebeschreibungen von Matsuo Bashō, den grossen Erneuerer des Haikus, der sich wiederum auf den Dichter Saigyō bezieht, der rund 500 Jahre vor ihm auf denselben Spuren gewandert war. Nachdem Gilbert Silvester am Bahnhof einen gescheiterten Studenten namens Yosa davon abhalten konnte, sich unter den Zug zu werfen, nimmt er den jungen Mann mit dem spärlichen Ziegenbärtchen unter seine Fittiche. Die beiden ungleichen Weggefährten brechen auf eine Reise durch Japan auf, um anhand des Gedichtbands (Gilbert) bzw. des etwas fragwürdigen Handbuchs Complete Manual of Suicide (Yosa) ihre unterschiedlichen Ziele zu verfolgen. Beide scheitern sie mit ihren diffusen Vorhaben, und als Gilbert seinen wortkargen Weggefährten an einem Bahnhof verliert, zieht er allein weiter. Endlich an seinem Ziel, den Kieferinseln, angelangt, schöpft er Hoffnung auf ein Wiedersehen mit seiner Frau: «Er würde sie anrufen, sagte er sich. Mathilda, Liebste, würde er sagen. Wir treffen uns in Tokyo, nahm er sich vor zu sagen, es ist alles ganz einfach, komm zu mir nach Japan. Die Laubfärbung beginnt.» (Seite 165).

Möchten Sie gerne wissen, wie es mit unserem Bartforscher Gilbert Silvester weitergeht? Der im Jahr 2023 erschienene Roman «Der Chor der Erinnyen» ist aber nicht etwa die Fortsetzung, sondern eine Parallelerzählung aus Sicht von Mathilda, die eines Morgens plötzlich und auf unerklärliche Weise von ihrem Mann, einem Bartforscher, verlassen wird.

Über diesen neuen Roman von Marion Poschmann tauschen wir uns im nächsten Literaturgespräch am Dienstag, 9. April aus. Kommen Sie (ob mit oder ohne Bart) doch auch!


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